Sport und Kultur, Akt 1, 2008
Eigenübersetzung
Sport und Kultur
Ein Titel, zwei Welten und die Quasinotwendigkeit, sich entscheiden zu müssen, da Sport und Kultur allzu oft als zwei unvereinbare Sphären gelten. Sport scheint im Kultursektor keine angemessene Rolle spielen zu dürfen.
Vor diesem Hintergrund konnte ich 2008 nur feststellen, dass ich von vorn anfangen musste.
Was ist Kultur?
Was ist Sport?
Die UNESCO definiert Kultur wie folgt: „Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“
Der kulturelle Akt, Lise Didier Moulonguet
Mich persönlich bringt das nicht viel weiter. Kultur kennt unzählige Definitionen und ich möchte an dieser Stelle Lise Didier-Moulonguets kritische Analyse des Kulturbegriffs aufgreifen, weil ich sie als besonders klar und schlüssig wahrnehme. Ein nächster Beitrag soll mit eigenen Worten beschreiben, was ich beim Lesen ihres Buches Der kulturelle Akt über die beiden Konzepte Kunst und Kultur wahrgenommen habe.
Was den Sport anbelangt, so war das Feld frei und ich ließ beim Lesen der Suche freien Lauf, um der Bibliographie nach dem Zufallsprinzip der Entdeckung Gestalt geben zu können. Es sind diese besonderen Glücksmomente, die nur mit der Weite des Forschungsgebiets konkurrenzieren und einem die Qual der Wahl versüßen.
Natürlich machte mir die Zeit als Richter einen Strich durch die Rechnung und allein aus Zeitmangel habe ich meinen Entdeckergeist nicht stillen können, so umfangreich ist der Bestand und so erstaunlich das Ausmaß einer Sportbibliografie, die Beiträge und Reflexionen von Wissenschaftlern wie Soziologen, Ethnologen, Anthropologen, Philosophen und Historikern, von Journalisten, Kuratoren, Lehrern, Politikern, Künstlern, Schriftstellern und natürlich von den Sportlern selbst enthält. (Seit 2008 ist viel passiert, es wäre interessant, sich der aktuellen Sportbibliografie anzunehmen!)
Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation, Eric Dunning und Norbert Elias
Als ehemalige Kunstgeschichtstudentin interessierte ich mich zunächst für die historische Entwicklung, insbesondere in Frankreich, um dann doch relativ schnell auf das Land zurückzukommen, von dem aus der moderne Sport die Welt für sich gewonnen hat: das England des 18. Jahrhunderts. Sport, wie wir ihn heute erleben, ist englischen Ursprungs und das Glück spielte mir jenes Buch zu (2008 meines Wissens nach das einzige), das mit seltener Klarheit die Ursprünge des Sports nachzeichnet und seine Tragweite erfasst: Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation von Eric Dunning und Norbert Elias. (Anmerkung der Übersetzerin: in Frankreich schon 1994 übersetzt, 2003 für Deutschland)
Ist es Zufall, dass es sich dabei um einen Landsmann handelt, dessen Weg jedoch von der unvermeidlichen historischen Katastrophe unserer gemeinsamen Heimat, Deutschland, diktiert wurde? Norbert Elias floh vor dem Naziregime nach England, wo er zunächst weiter an seinem Modell der Zivilisationstherorie arbeitete. Wenn ich Norbert Elias im Besonderen zitiere, dann wegen der Freude, die mir das Lesen seines Werkes bereitet hat, und auch, um ihm in diesen wenigen Zeilen einen bescheidenen Tribut zu zollen.
Der Körper im Prozess der Zivilisation, Jacques Ulmann
Bei der Fortsetzung meiner Recherchen hatte ich das Glück, auf ein Buch zu stoßen, das mir ebenfalls in besonderer Erinnerung bleiben wird: Der Körper im Prozess der Zivilisation von Jacques Ulmann. Als ich es zufällig in der Abteilung "Sport und Tourismus" der Buchhandlung Mollat in Bordeaux entdeckte, befand ich mich gerade in einer etwas verzweifelten Lage angesichts der Anzahl von Büchern, deren Autoren das Thema Sport mit Vehemenz und Hass ins Gericht nahmen! Jacques Ulmanns Analyse zeichnete kein kulturpessimistisches Bild vom Sport und öffnete mir einen besonderen Ansatzpunkt: den des Körpers.
Das Thema Körper erlaubte einen interessanten philosophischen Blickwinkel, insbesondere hinsichtlich seiner Wertschätzung im Laufe der Geschichte. So konnte ich die Verbindung zu einer anderen Welt herstellen, der des Theaters und der darstellenden Künste!
Im Verlauf meiner Lektüre überschnitt sich nämlich die Geschichte des Theaters mit der des Körpers und unterstützte meine theoretische Herangehensweise an das Thema Sport in ihrer Einbindung in den Bereich der Kultur.
In der Methodik der nächsten Beiträge zeichnen sich bereits zwei Schwerpunkte ab: Nach einer ersten Analyse, die sich der Frage der Kultur widmet, wird der Sport durch eine thematische Darstellung seiner historischen, soziologischen und philosophischen Beziehungen in den Kulturbereich eingebunden.
1. Lise DIDIER MOULONGUET, Der kulturelle Akt, L'Harmattan, Paris, 1998
2. Norbert ELIAS und Eric Dunning, Sport und Spannung im Prozess der Zivilisation, Blackwell, Oxford, 1986 / Fayard, Paris, 1994 / Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 2003
3. Jacques ULMANN, Der Körper im Prozess der Zivilisation, Librairie Philosophique J. Vrin, Paris, 1993
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